Mit einem Pop-Up-Fenster sorgte der beliebte Nachrichtendienst Whatsapp in den letzten Wochen für Verwirrung. In einer Warnmeldung weist der Messenger, der zu Facebook gehört, auf seine aktualisierten Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinie hin. Diese erlaubt Whatsapp Nutzerdaten für Werbezwecke mit allen Facebook-Unternehmen zu teilen – wie Facebook jedoch klar stellte nur außerhalb Europas. Wer die neuen Regelungen, die mit dem 15. Mai in Kraft treten, nicht akzeptiere, könne alternativ seinen Whatsapp-Account löschen, heißt es in der Mitteilung. Was ändert sich nun für EU-Bürger und welchen Bedingungen haben Nutzer vergangene Woche womöglich zugestimmt?
Wie kam es zur Verwirrung um die aktualisierten Nutzungsbedingungen?
Auf der Webseite von Whatsapp gibt es zwei verschiedene Versionen der aktualisierten Nutzungsbedingungen, eine für die Region Europa und eine weitere für den Rest der Welt. Die Abschnitte, die verändert wurden, sind dabei die gleichen. Der bedeutende Unterschied ist im langen Text nicht leicht zu entdecken. Vergleicht man die Versionen, wird erkennbar, dass Nutzer außerhalb Europas nun nicht mehr die Möglichkeit haben, die Datenweitergabe zwischen Facebook und Whatsapp zu verweigern – die zugehörige Passage wurde aus der Version für Länder außerhalb Europas gestrichen.
Werden Whatsapp-Accounts gelöscht, wenn sie den neuen Nutzungsbedingungen nicht zustimmen?
In der Mitteilung wird keine aktive Löschung durch Whatsapp erwähnt, jedoch wird festgehalten, dass auf „Zustimmen“ getippt werden muss, um Whatsapp weiter nutzen zu können. Ansonsten wird auf den „Hilfebereich“ verwiesen, der genutzt werden kann, um Accounts zu löschen.
Was hat sich mit den neuen Nutzungsbedingungen innerhalb und außerhalb Europas verändert?
Außerhalb Europas müssen Nutzer nun zur Datenweitergabe an sämtliche Facebook-Unternehmen zustimmen, um den Messenger nutzen zu können. Durch die Aktualisierung dürfen sämtliche erhobene Daten auch für Werbezwecke verwendet werden. Des Weiteren wurde mit der Aktualisierung in beiden Versionen ergänzt, wie Unternehmen mit Whatsapps neuer API für Business-Nutzer Kunden kontaktieren können.
Innerhalb Europas sei die Weitergabe von Nutzerdaten an Facebook-Unternehmen für Werbezwecke weiterhin nicht gestattet, versichert Niamh Sweeney auf Twitter. Mit der Aktualisierung der Nutzungsbedingungen habe man nur zusätzliche Informationen zur Datenverarbeitung ergänzt, insbesondere bezüglich der Rechtsgrundlage.
Warum sind Whatsapps Datenschutzrichtlinien für Europa anders?
In der EU gelten schärfere Datenschutzbestimmungen, die in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) festgehalten werden. Dank dieser darf Whatsapp persönliche Nutzerdaten nicht ohne Opt-Out-Möglichkeit weitergeben. So ist die Nutzung der Whatsapp-Daten für Facebook-Werbung weiterhin nicht zulässig. Außerhalb der EU darf Whatsapp nun für Nutzer den Datenaustausch mit Dritten, auch zu Werbezwecken, erzwingen.
Auch wenn hierzulande mit den aktuellen Nutzungsbedingungen keine Zustimmung zu einem erweiterten Datenaustausch für Werbezwecke gegeben wird, und auch die Opt-Out-Option bestehen bleibt, befinden sich in den Nutzungsbedingungen jedoch Passagen, die auf den Datenaustausch zwischen Whatsapp und Facebook-Unternehmen hinweisen.
Teilt Whatsapp nun Nutzerdaten mit Facebook-Unternehmen und Dritten auch in Europa?
Ein kritischer Blick auf die bestehenden Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien Whatsapps ist dennoch angebracht. So heißt es in der aktuellen Fassung, dass Whatsapp und andere Facebook-Unternehmen Informationen austauschen, „um die Sicherheit und Integrität aller Produkte von Facebook-Unternehmen zu fördern“. Als Beispiele werden Maßnahmen gegen Spam, Drohungen, Missbrauch und Rechtsverletzungen genannt.
Auch wird festgehalten, dass die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen Whatsapp und Facebook-Unternehmen stattfinde, „damit sie uns dabei helfen können, unsere Dienste zu betreiben, bereitzustellen, zu verbessern, zu verstehen, anzupassen, zu unterstützen und zu vermarkten.“ Am Ende des Absatzes wird eine Einschränkung genannt, und zwar dürfen Informationen, die Whatsapp an Facebook weitergibt, nicht für „eigene Zwecke der Facebook-Unternehmen“ verwendet werden. Welche Zwecke darunter fallen, und inwiefern sie sich von den am Anfang der Passage genannten unterscheiden, wird nicht näher erläutert.
Für Johannes Caspar, Hamburger Datenschutzbeauftragter in Deutschland, ist die in Europa geltende Version der Datenschutzrichtlinien daher nicht unproblematisch. Gegenüber Heise sagte Casper, dass die widersprüchlichen Passagen der Datenschutzrichtlinie bedeuteten, dass Daten innerhalb des Facebook-Konzerns weitergegeben werden können. Betroffen sind davon auch Nutzer, die Facebook selber gar nicht nutzen, denn wie in den FAQ erläutert wird, erhält Facebook für das Ermöglichen von Analysediensten Informationen, wie Telefonnummern, Geräteinformationen und weitere Metadaten von Whatsapp. „Dass deren Daten am Ende auch bei Facebook landen, ist problematisch und bedarf einer eingehenden Untersuchung, für deren Durchführung seit Inkrafttreten der DSGVO die irische Aufsichtsbehörde zuständig ist“, so Caspar zu Heise.
Kann ich die Datenweitergabe an Dritte verweigern?
Auch wenn die Datenweitergabe an Facebook-Unternehmen und Dritte für Werbezwecke nicht explizit erlaubt wird, wie Niamh Sweeney auf Twitter versicherte, wird laut der Nutzungsbedingungen trotzdem ein Datenaustausch zwischen Whatsapp und Facebook vorgesehen. Dies ist jedoch bereits seit 2016 bekannt. Während mit der Aktualisierung die bisher mögliche Option, die Datenweitergabe zu verweigern, für Nutzer außerhalb Europas wegfällt, ist es für EU- und Europa-Nutzer weiterhin möglich, ihre Rechte nach der DSGVO auszuüben. Dafür müssen Nutzer jedoch ein Schreiben an Whatsapp verfassen, in dem umfangreiche Daten ausgewiesen und die Unterlassung der Datenweitergabe argumentiert werden müssen. Näheres dazu wird auf der Webseite von Whatsapp erläutert.
Wo liegt der Unterschied bei beliebten Alternativen, wie Signal?
Dank der End-zu-End-Verschlüsselung, die Nachrichten und Inhalte nur für den Sender und Empfänger zugänglich machen, scheint Whatsapp in Sachen Privatsphäre auf den ersten Blick anderen Messengern, wie Signal, ebenbürtig zu sein. Die Verwendung der Verschlüsselung schützt jedoch nur Inhalte und Nachrichten. Die Massen an Metadaten und Informationen über Nutzer, ihr Nutzungsverhalten und ihre Kontakte, die von Whatsapp und Facebook gesammelt werden, sind nicht unbedeutend, besonders, wenn sie auf Nutzer zurückgeführt werden können. In Sachen Privatsphäre verfolgen Messenger, wie Signal oder Threema, ein anderes Konzept, und entwickeln Features mit Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern sollen, dass gesammelte Daten auf einzelne Nutzer zurückgeführt werden können. Auch ist Signal ein Open-Source-Programm, das bedeutet, dass sich jeder den Quellcode und die Funktionsweise der App ansehen kann.
via derStandard